DIE FILME MIT MARIE KREUTZER

Ein halbes Leben



Dass es mit Marie zu einer solche gedeihlichen Zusammenarbeit kam ist nicht zuletzt auch deswegen erfreulich, weil die Arbeiten irgendwie Hände, Füsse, Finger oder was auch immer, in die Vergangenheit ausstrecken. Als ich an der Schauspielschule war, sah ich einen Werkschau von Filmakademie-Studierenden im Votivkino. Dort lief ein Kurzfilm von Marie Kreutzer. Der gefiel mir am Besten. Ich dachte: mit ihr würde ich gerne einmal drehen. Das weiß ich noch, das ist mir sehr klar in Erinnerung geblieben. Die Kamera machte damals schon eine gewisse Leena Koppe. Sie ist wiederrum die große Schwester von meinem Sandkistenfreund Zebra und ich kenne sie, seit ich denken kann. Corsage drehte Marie mit der auch sehr superen Kamerafrau Judith Kaufmann, aber alle anderen Filme machte Leena als DOP. Es sollte noch ein paar Jahre dauern. Die Romanverfilmung Gruber geht (Doris Knecht) war dann die erste große Zusammenarbeit. Ich bin jeden Tag so gerne an dieses Set gegangen. Ich Nachhinein erstrahlt solch eine Lust ja noch stärker, weil man sich nicht mehr erinnert, dass es auch anstrengend war (Radikales Fasten, wegen Darstellung eines Krebspatienten z. Bsp.). Für Maries dritten Kinofilm war ich dann gar nicht vorgesehen, aber irgendwie fand sich keiner, der ihren Vorstellungen für die Rolle entsprach, also kam ich kurz vor Drehbeginn erneut in den Genuss. Diesmal ging es um drei Paare aus einem der hipperen Bezirke in Wien, die ihre Beziehungen verhandelten und ihre ersten Kinder bekamen. Es war ein großes Vergnügen in diesem Ensemble zu spielen. Auch hier sind Nebenerscheinungen hängen geblieben. Es war unendlich heiß und wir drehten im Juli vier Jahreszeiten und Eineinhalbjährige sind für Filme ähnlich schlecht zu gebrauchen, wie Hooligans in Fussballstadien. Beide halten sich nicht an Regeln. Ein Film über Bobos. Ja, man schreibt mir den gerne zu. In Deutschland würde man Hipster sagen. Warum nicht. Obwohl ich Zeit meines Lebens nie in einem Innenstadtbezirk gewohnt habe und meine Kinder immer in öffentlichen Schulen waren. Geschenkt! Marie begann dann doch auch Fernsehen zu machen. Für ihren ersten TV-Film Die Notlüge mit Pia Hierzegger und Josef Hader machte ich einen Cameo. Der Bezirksvorsteher kommt ganz kurz zum Gratulieren vorbei. Eine sehr österreichische Tradition. Ihr erster Landkrimi Vier ist eine für mich sehr wichtige Arbeit. Erstens mag ich den Film sehr, weil er auch für 20 15 Uhr neue Grenzen auslotet, zweitens ermittlen zwei hochgeschätzte Kolleginnen (Regina Fritsch und Julia Franz Richter) und drittens war das Setting einfach toll. Laurence Rupp und ich spielen ein homosexuelles Paar auf dem Lande. Ich bin sozusagen der schwule Landarzt. Laurence und ich bekamen den Sonderpreis für die „herausragende schauspielerische Leistung“ (2022) bei der TeleVisionale in Baden Baden. Jurypräsident war Dominik Graf und er sprach davon, dass er noch nie eine so glaubhafte Darstellung von Homosexualität im deutschen Fernsehen gesehen hat. Das ist natürlich sehr erfreulich. Das ist deswegen doppellt schön, weil es auch in ein heikles Terrain vordringt. Auch in unserem Beruf gibt es viele Diskussionen um kulturelle Aneignung. Natürlich muss diese Debatte differenziert geführt werden und es ist vollkommen richtig so, das z.Bsp blackfacing mittlerweile verpönt ist, aber es geht nun auch so weit, dass es viele Stimmen gibt, die sagen: Homosexuelle dürfen nur von Homosexuellen gespielt werden. Und da möchte ich höflich widersprechen, weil warum? Dürfen dann irgendwann Mörder nur von Mördern gespielt werden? (jetzt wurde es doch noch ein wenig polemisch, verzeiht!) Marie Kreutzers aktuell letzter Film ist Corsage. Er musste bekanntermaßen weite Kreise ziehen und in dunkle Bereiche vordringen, wo niemand hinwollte. Ich werde hier keine weiteren Gedanken dazu niederschreiben, weil das den Rahmen sprengen würde. (vielleicht geht es in ein paar Jahren mit mehr Abstand besser) Deshalb nur ein paar Bilder und der Hinweis auf eine Organisation, die sich um Kinderrechte kümmert. Die Möwe.











Bilder (c) Juhani Zebra

PS: Sandra Hüller war bei Gruber geht auch beim Casting. Jetzt war sie für den Golden Globe nominiert. So kann's gehen. Herzlichen Glückwunsch!
Bilder (c) Leena Koppe

BRAUNSCHLAG

Ein etwas anderer Schulskikurs

Es ist auch schon wieder mehr als zehn Jahre her. Wir drehten im Waldviertel, nahe der tschechischen Grenze. Der Begriff Schulschikurs muss oft und für Vieles herhalten. Aber selten war er treffender. Außer, wenn tatsächlich ein Schulskirkurs gemeint ist, dann wäre er noch präziser. Die Tage waren lang, und da wir nach Drehschluss alle ins Feriendorf fuhren, wo wir untergebracht waren, ging es dort dann weiter. Es war alles wie im Rausch. Wir lachten permanent, schliefen wenig, tranken zuviel und glaubten, dass wir jetzt alle für immer zusammen bleiben werden. Das ist auch so ein ungesunder Aspekt des Berufs. Wir arbeiten mit Emotionen. Manchmal sind diese einfach zu schnell und überdosiert und dann glaubt man, etwas hätte bereits nach kürzester Zeit Substanz und Wichtigkeit. Stimmt aber oft nicht. Dennoch sind in diesem Jahr und während dieser Wochen auch Weichen gestellt worden, die jetzt, viele Jahre später wieder zum Tragen kommen. Stipsits und ich hatten uns schon kurz davor beim Dreh zu Wie man leben soll kennengelernt und schrieben, wenn wir nicht mit den anderen tranken, bereits an Triest. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung davon wo uns diese Bühnenstück überall hinführen würde. Es sollten über dreihundert Vorstellungen werden.

Doch zurück zu Braunschlag. David Schalkos Groteske wurde vom Feuilleton und Publikum gleichermaßen geliebt. Das kommt nicht so oft vor. Auch für Deutschland und die dortige TV- und Filmlandschaft öffnete dieses Projekt diverse Türen für die Mitwirkenden. Simon war einer der wenigen, der vorher schon in Deutschland bekannt war und in Berlin lebte.

Wir hatten einander bereits zwei Jahre davor bei den Aufschneider-Dreharbeiten kennengelernt und ich nutzte, nicht zuletzt wegen ihm, jede Gelegenheit nach Berlin zu fahren. An der Volksbühne gab es tolle Sachen zu sehen, Funny van Dannen* trat in kleinen Kneipen auf und Simon fuhr mich mit seinem wunderbschönen Defender durch die “Hauptstadt der Gefühle”*, seine Hündin Berta auf dem Rücksitz. Mittlerweile ist Berta gestorben und das Auto gestohlen, aber die Freunschaft besteht immer noch. So auch zu diesem Mann hier im Vordergrund. Der Kameramann Juhani Zebra ist mein ältester Freund, wir kennen einander seit dem Kindergarten. Er lebt immer noch in Berlin und ist immer noch der Bruder von Leena Koppe, die wiederrum die Kamerafrau von Marie Kreutzer ist. Hier schließt sich wieder ein Kreis.

Die Bilder sind von Ingo Petramer und Arnold Pöschl.
Noch ein paar Impressionen von hinter den Kulissen der fiktiven Waldviertler Gemeinde:


"Grüß Gott Sankt Pölten!"


“Wir rauchten, als kriegten wir’s bezahlt.” (frei nach Element of crime)

Im Wald mit Adina Vetter.

Stefanie Reinsperger begegnete ich bei diesem Projekt auch zum ersten Mal. Wir sollte später drei Salzburger Landkrimi gemeinsam drehen. Doch davon an anderer Stelle mehr.



AUFSCHNEIDER

Der Anfang von Vielem

Es ist Frühling im Jahr 2009. Ich sitze im Rüdigerhof und beginne mich langsam von den letzten beiden Jahren im surrealen Falco-Universum zu erholen. Eine unbekannte Nummer leuchtet auf meinem Display auf. 0664..., das weiß ich noch.
-Ja bitte?
-Servus, da spricht der Josef Hader, I woit nur sagen, dass du uns beim Casting total gut g'foin host und wir täten dir gerne die Rolle vom jungen Pathologen anbieten.
-Also...wie jetzt...ich meine...ist das..?
-Mi tät's total g'frein, weil wir hätten dann a poa wirklich schöne Szenen miteinander.
-Also, wenn Sie das so sagen...also, Josef ich darf doch Du sagen...
Was für ein erbärmlicher Versuch aus seinem Programm zu zitieren, er geht zum Glück nicht darauf ein.
-Oiso, I bis bald. Pfiati.
Welchem meiner Freunde habe ich vom Aufschneider-Casting erzählt? Und noch wichtiger, wer von ihnen kann Josef Hader so gut imitieren?
Ich habe die Geschichte in Interviews nach Vorbildern gefragt, oft erzählt. Sean Penn, Tilda Swinton, natürlich Bowie und auch Dr. Kurt Ostbahn, oder ganz zu Beginn die Marxbrothers und Chaplin, aber in den prägenden Teenagerjahren, als sich der Berufswunsch erhärtete, war es am allermeisten Josef Hader, der mich faszinierte und dem ich, was seine Arbeit betrifft, auf die Schliche zu kommen versuchte. Ich hatte ihn einmal für eine Schülerzeitung interviewt; aber gut, das hatten viele getan, weil er eben so nett ist und immer zusagt. Also wie jetzt? Ruhig bleiben, Synapsen explodieren lassen, erstmal noch eine Smart Export und bitte noch einen Kaffe. Ich war beim Casting gewesen. Es war Stadtgespräch gewesen, zumindest in der Branche, alle wollten dabei sein. Der coole David Schalko und der Kabarettgott Josef Hader hatten sich zusammengetan und eine Geschichte über ein Krankenhaus geschrieben. Ein Stück über Oben und Unten, Chirurgie vs Pathologie. Ein paar Namen machten bereits die Runde. Ursula Strauss, Oliver Baier, Georg Friedrich, Meret Becker und sogar Simon Schwarz,den ich seit den Brenner Filmen so verehrte würden bereits zugesagt haben.


Bild (c) 1 privat, 2 Ingo Pertramer
Ich war zum Casting eingeladen worden. Das alleine hatte mich schon stolz gemacht. Aber mit wem hatte ich gerade telefoniert? War das tatsächlich möglich? Konnte das sein? Kurz darauf leuchtete mein altes Nokia Handydisplay wieder auf. Eine weitere Nummer, die ich nicht eingespeichert hatte. Seit dem Falco Film war ich da vorsichtig, aber jetzt bekam die Causa ja beinahe eine investigative Komponente, also hob ich ab. Ein tiefe, nuschelnde, verschlafene Stimme war am anderen Ende der Leitung. Die konnte definitiv keiner meiner Freunde nachmachen. Schalko bestätigte die Echtheit des Unterfangens. I got the part.
Bald daruf ging es los. Leseproben, Fittings, viel Gelächter, heiße Diskussionen. In diesem wunderbaren Haufen die coolste von Allen: Pia Hierzegger. Wie sie mit stoischer Präzision aus jeder Pointe das Maximum holte beindruckte mich sehr. Danaben Georg Friedrich: Marlboro Menthol 100 auf Kette. Wir versuchten ihm später in Triest ein Denkmal zu setzen und legten ihm unter anderem folgenden Satz in den Mund: "Es gibt nur zwa Soch'n, die I ned mog: Haltbarmilch und Menschen!" Einmal war er sogar im Stadtsaal und sah es sich an. So aufgeregt waren wir bei keiner anderen der dreihundert Vorstellungen.

Bild (c) Ingo Pertramer
Die Drehtage dauerten oft achtzehn Stunden, manchmal länger. Dem Produzenten John Lüftner waren die Hände gebunden. Der Regisseur des Unterfangens war und ist sein Firmenpartner. Aber ich denke, es hat sich gelohnt. Wenn eine Szene stundenlang geprobt werden musste, dann wurde sie eben stundenlang geprobt. Man trieb sich, trotz steigender Müdigkeit, gegenseitig an. So kann Fernsehen auch aussehen, war das unausgesprochene Überthema. Bis heute erfreut sich der Zweiteiler großer Beliebtheit und wird sehr oft wiederholt. Insgeheim glaube ich auch, dass ohne den Erfolg von Aufschneider kein Braunschlag möglich gewesen wäre. Neben vielen wunderbaren Ereignissen, die sich auch zwischen den Szenen und Tage zutrugen, verbrachte ich meine Zeit meistens mit dem Krankenhausdirektor. Seine Name im echten Leben: Simon Schwarz. Über die Bande fand ich bei dieser Produktion also auch noch einen Freund fürs Leben.
Die Außenaufnahmen und die Szene im Kreisverkehr wurden bei der Wiener Gebietskrankenkasse gedreht. Meine Mutter hatte viele Jahre dort gearbeitet. Als einzige Ärztin unter lauter männlichen Berufskollegen. Ich verbrachte als Kind immer wieder Zeit dort. 25 Jahre später war ich zu ihrer Arbeitsstätte zurückgekehrt und tat für ein paar Wochen so, als hätte ich auch Medizin studiert. So wie sie.



Bilder (c) Ingo Pertramer

FAUNER CONSULTING

Wir wollten es wissen
Die Zusammenarbeit mit Georg Weissgram reicht in die Schulzeit zurück. Später drehte Georg die ersten Musikvideos meiner Band Mondscheiner. Legendär ist der Dreh für unser Stück Tagebuch eine Dichters. Ich meinte: wir sind pleite, wir können nicht drehen. Georg sagte: ok, wir besetzen um, meine Freunde müssen vor die Kamera. Ich brauche nur eine Kiste Bier. So geschah es. Wir haben in einer Zeit angefangen, als das Internet noch nicht da war, oder zumindest in den allerersten Kinderschuhen steckte. Man glaubte damals noch ganz fest daran, dass ein Album oder einen Film zu produzieren sehr, sehr viel Geld kostet. Georg war der erste in unserem Umfeld der sagte: nein, es kostet Liebe und Lebenszeit, aber den Rest kriegen wir hin und die Entwicklung arbeitet für uns. Er sollte recht behalten. Heute nehmen junge Menschen hochwertige Dinge in ihren Wohnzimmern auf. Georg schrieb auch Drehbücher. Spielfilmdrehbücher. Mehrere sogar. Und im Gegensatz zu den meisten anderen damals, schrieb er sie zu Ende. Wir wollten diese, oder zumindest eines davon, gerne verfilmen. Das Problem war. Georg war nie auf einer Uni gewesen und also auch nicht auf der Filmakademie und auch auf keiner anderen Filmschule und das vielzitierte netzwerken gehört auch nicht zu seinen ureigensten Stärken. Ich ging mit seinen Büchern Klinken putzen. Irgendwann merkten wir, dass Feedback war eher mager bleiben würde. Genaugenommen gab es keines. Die Bücher wurden nicht gelesen. Damals machte mich damals sehr wütend. Heute bin ich ein bisschen milder, da mir auch oft Leute Bücher schicken und ich meistens nicht die Zeit habe, diese zu lesen. Wir sagten gut, lass uns die alte Bierkistenidee hervorholen und sie auf ein neues Level hieven. Wir entwickelten gemeinsam die Figur des Franz “Francois” Fauner und Georg setzte sich hin und schrieb 10 Folgen. Das Internet war gerade im Kommen und wir kämpften nun auch ein bisschen gegen die Uhr, weil wir uns in den Kopf gesetzt hatten, dass wir die erste Internetserie Österreichs machen wollten. Wir trommelten alle Menschen zusammen, die schon so oft bei Musikdrehs oder Studierendenfilmen für einen Apfel und ein Ei gearbeitet hatten und baten sie es wieder zu tun. Sie taten es. Georg und ich nannten uns großspurig Produzenten und übernahmen noch viele weitere Depatments. Ich war zum Beispiel noch Haupdarsteller, Caterer und Caster. Anna und Georg stellten uns ihre geniale Innenstadtwohnung, die kurz vor der Renovierung stand, zehn mal einen Tag zur Verfügung und wir drehten es einfach. Am Theater in Bregenz hatte ich kurz davor Simon Skina kennengelernt. Er war Regiassistent gewesen und sprühte nur so vor Ideen. Wir entwickelten das Konzept wöchentlich um 20 15 Uhr, also zur besten Sendezeit zu erscheinen und Simon schrieb kluge, kryptische E-mails an die Presse. Ich konnte einige HochkaräterInnen überzeugen uns jeweils einen Tag ihrer Lebenszeit zu schenken. (Marion Mitterhammer, Simon Schwarz, Thomas Stipsits, Inge Maux , Matthias Franz Stein u.a.) Mit Abstand würde ich folgende Konklusio erstellen: ich finde es toll, dass wir es durchgezogen haben. Der ORF hat es uns zu einem Preis abgekauft, dass wir zumindest an alle einen symbolischen Beitrag auszahlen konnten, das Medienecho war enorm, Georg bekam durchaus den einen oder anderen Fuss in diverse Türen, aber das eigentliche Ziel, nämlich eine zweite Staffel zu machen, und zwar richtig mit Zeit und Geld, ist bisher nicht gelungen. Um es mit meinem Freund Simon zu sagen, der als Fazit immer Fussballmetaphern bemüht: Unentschieden. Eine hochspannende Partie, die mit einer Punktteilung endete.











FALCO, VERDMAMMT WIR LEBEN NOCH

Ein unwahrscheinliches Ereignis

Eine Freundin von mir sagt gerne: "Energie folgt der Aufmerksamkeit." Sie glaubt da fest daran. Ich würde das auch gerne, aber mir gelingt es nicht so ganz, oder zumindest nur manchmal. Dennoch bietet mir mein Beruf immer wieder Geschichten an, die in diese Theorie erhärten. Eine solche habe ich oft erzählt und ich erzähle sie aber gerne auch hier nocheinmal. Sie fühlt sich auch heute, fünfzehn Jahre später, immer noch ein wenig surreal an. Ich hatte die Schauspielschule beendet und war ein Jahr in Linz am Theater gewesen. Da sich dies aber mit unseren Ambitionen als Band schlecht vereinbaren ließ, hatte ich gekündigt und spielte Theater in der sogenannten freien Szene. Immer versuchte ich Band und Theater unter einen Hut zu bringen. Soll heißen, wenn man mir eine Rolle anbot, versuchte ich die Band mit hinein zu verhandeln.

Bilder (c) Mondscheiner
Besonders gedeihlich klappte dieses Unterfangen bei und mit dem Regisseur Alexander Kubelka. Schon diese Geschichte verlief so unglaubwürdig, dass man sie erzählen muss: Kubelkas damalige Lebensgefährtin war zu diesem Zeitpunkt meine Agentin. Ich war zum Kaffe geladen, um die gemeinsamen Pläne zu besprechen. Wir saßen bei Kaffe und Kuchen, als plötzlich ein Mann im Bademantel in der Küche stand. Dann passierte etwas, das in diesem Beruf leider äußerst selten vorkommt: er sah mich eine Weile an ohne etwas zu sagen und engagierte mich vom Fleck weg, also strenggenommen von der Küchenbank weg.

Bild (c) Neue Oper Wien
Nach einer gemeinsamen Opernproduktion, nahm er mich als Edgar (das ist der Bruder, der verrückt wird und nackt durch den Wald läuft) mit nach Klagenfurt um King Lear zu probieren. Die Band war Teil des Deals und so waren wir alle vier mit Familien als Schauspieler und Musiker für sieben Wochen in Klagenfurt. Inge Maux, die wir später für Fauner Consulting engagierten, spielte den Narren und Dirk Diekmann, der meinen Bruder Edmund gab, waren unter anderem auch Teil des Ensembles. Von Dirk lernte ich einen völlig neuen Zugang mit Sprache um zu gehen. Bis zu seinem Tod schickten wir uns Sprachnachrichten mit Gedichten, die wir entdeckt hatten. Den König spielt Wolfgang Hübsch. Während der Proben nahm er mich einmal zur Seite und meinte: "Mach' nicht den gleichen Fehler wie ich, bleib' nicht am Theater hängen. Geh zum Film!" Ich stammelte nur: "Ja, das will ich eh."

Bilder (c) Stadttheater Klagenfurt


Bilder (c) Landestheater Vorarlberg
Ein paar Tage später saß ich in Klagenfurt im Theatercafe, da sprang mir eine Schlagzeile in einem Boulevardblatt ins Auge: "Robert Stadlober legt die Falco-Rolle zurück!" Im Artikel waren ein paar Namen angeführt, wer die potentiellen Kandidaten sein könnten. Meiner war nicht dabei. Keine Ahnung, woher die Hybris kam, die sich meiner in diesem Moment bemächtigte. Vielleicht lag es daran, dass ich mich wohl fühlte zu dieser Zeit, dass es leichte, unbeschwerte Tage in Kärnten waren, dass meine kleine, gerade erst gegründete, Familie dabei war, dass es ein Arbeitsumfeld war in dem man sich gerne bewegte, das im Großen und Ganzen von Respekt getragen war. Wie auch immer. Mir war jedenfalls in diesem Moment klar: tut mir leid liebe Kollegen, aber diese Rolle gehört mir. Dann weiß ich nicht mehr genau, ob mich die Erinnerung trügt, weil alles so schnell ging. Jedenfalls schrieb ich der Casterin Eva Roth einen Brief. Sie meinte, ich sei zu unbekannt, man wolle einen großen Namen, schließlich sei es ein sehr teures Projekt und da brauche man jemand, der es gewohnt sei mit Druck um zu gehen. Sie lud mich für Wickerl Adam, eine Nebenrolle im Film, zum Vorsprechen ein und meinte, ich können ja auch für die Hauptrolle ein bisschen was vorbereiten. Wenn dann noch Zeit sei, könne man das im Anschluss noch dranhängen. Versprechen könne sie aber nichts. Die Band half mit. Wir studierten zwei Falco Songs ein. Ich weiß nicht mehr welche. Was ich noch weiß ist, dass ich nicht nur ein zweites Casting mit dem Regisseur Thomas Roth bekam, sondern dass selbiger mit dem Herrstellungsleiter Markus Pauser und den Produzenten eines nachts bei meiner Mutter im Garten stand. Hinten im Schuppen hatten wir unseren Proberaum. Dieser wurde für mich plötzlich das Tor zur Filmwelt. Ich bekam die Rolle. Der Produzent Andreas Kamm sagte den Satz: "Mach' uns den Hans!" So einfach und so schwer zugleich. Es waren nur noch sechs Wochen bis Drehbeginn. Die Zeit drängte. Ich richtete mir ein Falco-Zimmer ein und karrte Videos, Bücher und alle Interviews die man kriegen konnte, an. Susi Stach startete bei diesem Projekt ihre zweite Karriere. Sie spielt nicht nur Mama Hölzel im Film, sie begann auch ihre Arbeit als SchauspielerInnen-Coach. Wir sahen die Videos, die jede(r) kennt, immer und immer wieder. Da musste wir präzise sein, da würde es einen direkten Vergleich geben. Bei den "privaten" Szenen hatten wir vergleichsweise mehr Freiheit.



Bilder (c) Petro Domennig
Auf mehreren Ebenen bekam ich Crashkurse. Der heftigste war jener im Umgang mit den Medien. Vorher hatte sich kaum jemand interessiert und von einem Tag auf den anderen, konnten wir uns der Anfragen gar nicht erwehren. Es erschienen Interviews, die ich nie gegeben hatte und plötzlich war ein großes Farbfoto von der Kostümprobe am Cover der Kronenzeitung. Und das alles noch vor Drehbeginn. Als es dann los ging, war ich im Tunnel. Mir war, zu meinem großen Glück, gerade noch rechtzeitig bewusst geworden, dass das Projekt zu groß war um es allen recht zu machen, geschweigedenn allen zu gefallen. So beschloss ich, mich wenn möglich selbst zu unterhalten. Christian Tramitz und Niki Ofczarek flankierten mich. Sie hatten mir zu verstehen gegeben, dass sie meine Herangehensweise schätzten. Damit machten sie mir das größte Geschenk. Ich fühlte mich frei. Plötzlich hatte ich zwei größere Brüder mit denen ich spielen und alles ausprobieren konnte. Außerdem passten sie auf mich auf und achteten darauf, dass ich mich nicht vergaloppierte. Das vergesse ich ihnen nie. Die Kraft die mir das gab, erhärtete meinen Wunsch nach einem guten Miteinander. Ich habe danach immer darauf geachtet jüngeren KollegInnen meine Unterstützung wissen zu lassen. Nicht zuletzt deswegen weil ich am eigenen Jungschauspielerleib mitbekommen habe, wie maßgeblich so eine Kraft für den weiteren Berufsweg sein kann.

Noch etwas hatte sich verändert. Die Tage waren so angefüllt bis oben hin. Drehen, Presse, Promotion. Dauernd wollte jemand etwas. Ich wollte freundlich bleiben und mir für alle auch Zeit nehmen. Was ich nicht bermerkte: meine kleine Familie, mit der es in Klagenfurt noch so fein gewesen war, begann ich zu vernachlässigen. Das tut mir bis heute leid. Obeschon ich von method acting nichts halte, hat meine Frau wohl recht. Jede größere Rolle hinterlässt Spuren. Es bleibt ein wunderschöner, aber auch gefährlicher Beruf und man muss auf die, die einem wichtig sind, sehr gut aufpasssen. (Das gilt ziemlich sicher für andere Berufe auch) Der Produzent Andreas Kamm bekam mit, dass ich etwas strauchelte und sagte: "Du fährst ab jetzt nur noch Taxi. Bis der Wahnsinn vorbei ist." Das ist mir wohl auch deshalb in bleibender Erinnerung, weil in meinem Leben war Taxifahren bisher die absolute Ausnahme gewesen. Taxifahren und ins Restaurant gehen. Das leistet man sich einmal im Jahr. Plötzlich fuhr ich am hellichten Tag einfach so in einem Taxi durch Wien. Oder von Ybbs zum Flughafen. Das kam nämlich auch noch hinzu. Der Band hatte ich versprochen, dass auch während der Dreharbeiten kein Konzert abgesagt wird. Ehrensache. Ich pfiff zwar schon aus dem letzten Loch, aber wenn man jung ist und die Dinge gerne tut, geht einiges. Der Höhepunkt war ein Open Air Konzert in Ybbs. Es war das Wochenende vor der letzten Drehwoche, die an Originalschauplätzen in der Domiminikanischen Republik stattfinden sollte. Wir spielten bis 21 30 Uhr, danach direkt ins Taxi und um kurz nach Mitternacht saß ich in einem Flieger nach Miami. Zum ersten und wahrscheinlich letzten Mal in diesem Leben, flog ich Langstrecke Business Class. Hundemüde bestellte ich einen Whiskey und schlief ein. Ich träumte dann tatsächlich, dass Hans H. neben mir saß. Er trank auch einen Whiskey und sagte zu mir: "Des is scho' in Ordnung, was du da machst. Des gfoit ma." Die sogenannte "Domrep" war ein spezielles Erlebnis. Wir waren von Maimi nach Los Angeles weiter geflogen, hatten dort eine Szene gedreht und landeten schließlich am letzten Schauplatz dieser Reise. Hier drehten wir die letzten Szenen des Films. Den Unfalltod. Grace Jones war engagiert worden. Mein erster Kontakt mit einem Weltstar. Sie hielt das ganze Team auf Trab. Still und leise dachte ich: wenn das der Preis des Ruhms ist, will ich wieder zurück nach Klagenfurt. Nach der letzten Klappe ließ ich mir den den Kopf kahl rasieren und schwor, obschon ich jede Sekunde an seiner Seite geliebt hatte, Falco ziehen zu lassen. Auch wenn die Verlockung mitunter groß sein wird. Ich mach' Euch nicht den Falco-Kasperl der Nation. Erst vor drei Tagen kam wieder einmal eine Anfrage: "Wir hätten die Idee, dass Sie bei unserem Jubiläum als Falco auftreten könnten. Das ist doch eine großartige Idee! Dass da noch keiner vorher draufgekommen ist?!" Doch sind jemand. Ganz viele. Das war die Anfrage Nummer 204. Ich sammle sie nämlich. Werbepspots, Donauinsel, Interviews zum Todestag, jedes Jahr im U4, Mitternachtseinlagen, Feuerwehrfeste etc.





Hundemüde sitze ich wieder im Flugzeug. Ich habe nichts geschlafen, weil wir nach Drehschluss noch ein Frühstück bei mir für Ö3 aufgenommen hatten. Um drei Uhr Früh am Strand in der Dominikanischen Republik so tun als würde man gerade gut ausgeschlafen, eine Semmel mit Marmelade bestreichen und dabei übers Leben sinieren. So ist das also. Hinter den Kulissen der Unterhaltungsbranche. Oder so ähnlich. Ich schaue aus dem Fenster und frage mich, warum ich das alles so sehr herbeigesehnt habe und jetzt trotzdem so leer bin. Seit ich Charly Chaplin, die Marx Brothers und Buster Keaton als Kind für mich entdeckt hatte, war die Stossrichtung definiert. Ich erinnere mich, wie ich verkleidet und geschminkt im Garten meiner Eltern stand und mir vorstellte, dass ich auf einem Filmset bin. Eleganz und Humor. Grandezza und Bescheidenheit.







Bilder (c) Petro Domennig